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Stormchaser-Lizenz in USA/Oklahoma - 2-Klassen-Gesellschaft oder sinnvolle Regulierung?

Guido Richterteamstormchaser wrote 7 days ago (edited 5 days ago):

Eingebundene Grafik

Während sich die USA nach dem Amtsantritt von Donald Trump neu ausrichten und man auf der ganzen Welt nach Neusortierung strebt, treibt die US-Wetterszene aktuell ganz andere Sorgen um. Nicht nur, dass die Effizienzoffensive der neuen Regierung bereits zahlreiche Jobs in der Branche gekostet hat und einige Insider bereits ein Totalversagen beim nächstgrößeren Outbreak prognostizieren, nun sorgt auch noch ein neues Gesetz in Oklahoma für Wirbel. Wir haben es uns genauer angeschaut - und wagen einen Blick über den Tellerrand mit der Fragestellung, ob deutsche Stormchaser in den USA nun Probleme bekommen.

TL;DR - Die Zusammenfassung

  • Gesetz führt ab 1.7.2025 "Professional severe weather tracker" - Stormchaser mit Lizenz - in Oklahoma ein
  • Lizensierte Stormchaser bekommen Sonderrechte - aber auch Pflichten
  • Behörden können No-Go-Areas für unlizensierte Tornadojäger ausrufen
  • "Normales" Stormchasing vermutlich nicht stark betroffen
  • Möglicherweise härteres Durchgreifen gegen unlizensierte Sturmjäger & "Rowdys" in Gefahrenzonen

Der Gesetzentwurf

Im Entwurf zum sogenannten "Oklahoma Emergency Weather Response and Tracking Regulatory Act of 2025" (House Bill 2426 / HB2426) wird aktuell vorgeschlagen, im Bundesstaat Oklahoma (Das Herz der Tornado Alley) die Befugnisse für Stormchaser und Fernsehteams einzuschränken und an eine Lizenz zu koppeln. Sofern nicht verändert, soll das Gesetz am 1. Juli 2025 in Kraft treten.

Die Intention ist klar, auch wenn sie im Gesetz nur indirekt mit "health and safety" umschrieben wird. In den letzten Jahren ist Stormchasing in den USA nicht nur zu einem lukrativen Geschäft für die Top-Performer der Szene geworden, sondern auch zu einer ernsthaften Bedrohung für Unbeteiligte, weil sich immer wieder Staus bilden. Die massenhafte Verfügbarkeit von Mobilgeräten, mobilem Internet, neuen Radar-Apps und der Trend, Livestreamern oder Fernsehteams nachzufahren hat zu einer Eskalation geführt, wie man sie sonst eher bei Stars und Idolen kennt.

Das Problem ist nicht neu, dass es dadurch immer wieder Verletzte und Todesopfer gibt ist auch nicht neu, aber das Phänomen ist in den letzten Jahren noch einmal deutlich heftiger geworden. Zuletzt gab es auch innerhalb der Szene lebhafte Kontroversen. Die einen wollen mit einem blinkenden Weihnachtsbaum durch die Gegend fahren und Hobby-Feuerwehr spielen, die anderen fühlen sich dadurch geblendet und genervt, halten das für Draufgängertum und Show. Livestreamer verschleierten ihren Standort, um die Horde abzuhängen und in Ruhe gelassen zu werden. Es herrscht gewissermaßen wilder Westen und wäre die örtliche Polizei nicht mit wichtigeren Dingen beschäftigt, würde es vermutlich Tickets hageln für die Verhaltensweise einiger Straßenrowdys. Mit dem Gesetz möchte man also vermutlich primär der unkontrollierten Stormchaser-Horde beikommen und die professionellen Experten dieser Gruppe in ein Lizenzmodell überführen.

Der Gesetzentwurf kann im Original, in voller Länge und in der jeweilig aktuellsten Fassung hier abgerufen werden: Gesetzentwurf "Oklahoma Emergency Weather Response and Tracking Regulatory Act of 2025" (House Bill 2426 / HB2426)

Die Änderungen - Ganz nah ran nur mit staatlicher Lizenz

Auch nach mehrmaligem Lesen ist nicht ganz klar, unter welcher Definition Einschränkungen aktiviert werden sollen. Zwar listet der Gesetzesentwurf unmissverständlich auf, welche Autoritäten befugt sind, Lizenzen auszustellen, welche Bedingungen für eine solche Lizenz gelten und welche Wettersituation zum Inkrafttreten führt sowie welche hoheitlichen Einrichtungen generell ausrufen dürfen. Es findet sich jedoch keine klare Aussage dazu, was das konkret am Boden vor Ort bedeutet. Unklar ist auch, wer genau diese Einschränkungen dann in der Praxis ausruft, wie sie kommuniziert werden und ob man sich großzügige Gebiete weit im Voraus herauspickt, oder ob akut oder nach einem Unwettertreffer bestimmte Gebiete abgesteckt werden. Von einem zahnlosen Tiger-Gesetz, wo letztlich nur der lokale Sheriff eine Straße sperrt bis hin zur Sperrung ganzer Landstriche durch Behörden ist also theoretisch alles möglich. Die ungeklärte Frage der Kommunikation intern wie auch nach außen lässt ebenfalls Spielraum für Spekulationen. Es könnte alles reibungslos und Hand in Hand gehen - oder im totalen Autoritäten-Chaos münden. Und woher man diese Informationen als Stormchaser im Eifer des Gefechts erfährt - keiner weiß es.

Zwei Szenarien könnte man zeichnen, denn diese bestehen bereits bei nahezu jeder Unwetterlage. Szenario 1 wäre das Absperren durch Polizeikräfte an Kreuzungen oder Straßenabschnitten. Das ist bereits gängige Praxis und würde dazu führen, dass unlizensierte Stormchaser aufgehalten oder umgeleitet werden. Lizensierte Tornadojäger und TV-Teams hingegen könnten sich ausweisen und schnell weiterfahren, näher ran an die Unwetter. Szenario 2 betrifft größere Gebiete, zum Beispiel verwüstete Landstriche nach einem Tornado, überschwemmte Areale oder eingeschneite Orte nach einem Blizzard. Schaulustige und Möchtegern-Helden sind hier ohnehin nicht gern gesehen, denn unter Umständen müssen diese selbst gerettet werden. Im schlechtesten Fall sind sie nur auf Sensationen aus und behindern Einsatzkräfte oder Rettungsteams. Ob wir damit richtig liegen und was genau kommen wird - man wird es abwarten müssen.

Was ist ein lizensierter Weather Tracker?

Die geplante Lizenz soll an eine ganze Liste von Bedingungen geknüpft sein. Diese Liste, da nicht anders definiert, dürfte sich als UND-Verknüpfung verstehen, es müssen also alle Bedingungen erfüllt sein. Alles im Detail aufzulisten, wäre hier zu lang, doch im Kern sind folgende Eckpunkte zu nennen:

  • Bestandener Backgroundcheck
  • Genehmigung durch NOAA oder Chefmeteorologen
  • Empfehlungsschreiben namhafter Einrichtungen, wie z.B. News-Agenturen, Bildungseinrichtungen, Wetterdienste, Programmleiter etc.
  • Genehmigung durch den Verantwortlichen des Programms mit Bestätigung der nötigen Skills
  • Lückenlos nachweisbares Bestehen einer aktuellen sowie zukünftigen Versicherung aller Einsatzfahrzeuge
  • Zahlung der einmaligen sowie jährlich wiederkehrenden Lizenzkosten

Hat der Anwärter diese Lizenz erworben, muss er sie jährlich erneut bestätigen lassen und die jährliche Gebühr bezahlen. Sowohl die Kosten für die Lizenz als auch bei Verstößen sind für amerikanische Verhältnisse lächerlich gering. Das Programm ist befugt bei Verstößen die Lizenz jederzeit temporär oder dauerhaft zu entziehen. Interessanterweise entstehen neben Befugnissen auch Pflichten für den Lizenzträger.

Der Lizenzträger ist beispielsweise befugt, visuelle Sondersignale an seinem Fahrzeug anzubringen und zu benutzen. Wird ein Gebiet mit Lizenzpflicht ausgerufen, kann bzw. sollte der Lizenzträger diese Warnlichter anschalten und gilt fortan als "Emergency Vehicle". Geregelt sind die Lichter unter §47-12-218 der Bundesgesetzgebung. Für Oklahoma könnte so ein Fahrzeug ähnlich dem im Titelbild dieses Artikels aussehen. Die Lichter könnten auch bei schönem Wetter montiert bleiben - dürften aber nicht benutzt werden. Besonders ist zu nennen, dass Lizenzträger auch Polizeiabsperrungen passieren dürfen.

Auf der Pflichtseite sieht es erstaunlich dünn aus. Im Grunde muss nur stets eine gültige Lizenz mitgeführt und auf Verlangen umgehend vorgezeigt werden. Zudem ist von außen am Fahrzeug in aller Deutlichkeit erkennbar zu machen, dass man Lizenzträger ist und ggf. zu welchem News-Team man gehört.

Chance oder Spaltung der Szene?

Wenn man versucht, sich dieses Gesetz in der Praxis vorzustellen, so ergeben sich mehr Fragen, als dass Antworten gefunden werden können. Auf den ersten Blick riecht es nach 2-Klassen-Gesellschaft. Die Top-Performer der Szene werden es sich finanziell ohne Weiteres leisten können, ihre Fahrzeuge ganz legal mit Blinklichtern vollstopfen und können sich dann freier bewegen, als je zuvor. Alle anderen können wie gehabt Stürme verfolgen - nur wenn es heiß wird, oder schon heiß war - müssen sie draußen bleiben. Das ist aber im Grunde nichts Neues, denn behördliche Absperrungen galten schon immer für jeden US-Bürger und da, wo der örtliche Sheriff quer auf der Straße stand und grimmig dreinschaute, war bislang für jeden Stormchaser Schluss.

Für Stormchaser wie Reed Timmer, die hauptberuflich unterwegs sind und notfalls auch Verletzte aus Häusern zerren, könnte das Gesetz sogar große Vorteile bieten. Sie können sich frei bewegen und so deutlich einfacher Forschung und Berichterstattung betreiben. Zudem sind sie besser im Straßenverkehr erkennbar und verfügen über Wegerechte.

Unserer Einschätzung nach verschlechtert sich somit für normale Stormchaser nichts, es bleibt etwa gleich.

Der Teufel steckt im Detail

Doch was wäre die Stormchaser-Szene ohne ein "aber". Es sind soziale Faktoren denkbar, es könnte zum Beispiel zu Neid in der Szene kommen. Denkbar ist auch, dass zu wenig oder viel zu viele Lizenzen ausgegeben werden. Mit noch besserer Sichtbarkeit wird es auch noch besser, den Szene-Größen hinterherzufahren - diese machen schließlich mit Sondersignal den Weg frei. Hier sind also neben möglichen Vorteilen für professionelleres Chasing auch viele wirklich üble Entwicklungen denkbar. Und für vernünftiges Verhalten ist die Szene in den letzten Jahren nun nicht wirklich bekannt.

Spannend wird auch die Frage, in welcher Form diese Sperrgebiete ausgerufen werden. Wenn es nur lokal ist, dürfte es den normalen Sturmjäger kaum stören. Im Zweifel fährt man dran vorbei und behält die Fotomotive weiter im Blick. Doch was, wenn - wie im Gesetz theoretisch als möglich beschrieben - ganze Landstriche vorab als Sperrzone definiert werden? Dann hätten unlizensierte Stormchaser definitiv das Nachsehen.

Geteilte Meinungen in den USA

Das Gesetz wird derzeit medienwirksam in der US-Szene diskutiert, verschiedene, namhafte Branchengrößen haben sich bereits geäußert. Reed Timmer beispielsweise ist dem Gesetz gegenüber sehr kritisch eingestellt, er befürchtet staatliche Überregulierung. Wir wissen nicht genau, ob es als Protestaktion gemeint ist, aber er hat kürzlich eine "Stormchaser League" gestartet. Eine Art Wettbewerb, wer die meisten Menschen rettet, die meisten Tornados fotografiert und die meisten Meldungen absetzt. Ein Bezug zum Gesetz ist zumindest inhaltlich wie auch zeitlich naheliegend.

Warren Faidley geht noch etwas weiter, er vermutet, dass Stormchaser komplett von der Straße vertrieben und Livestreams unterbunden werden sollen.

Eine positive Stimme kam von Val Castor (Stormchaser für News9), er begrüßt das geplante Gesetz. Seiner Meinung nach schränken die Regeln niemanden ein, geben qualifizierten Experten aber weiterreichende Möglichkeiten und einen offiziellen Anstrich. Er sieht dabei auch Vorteile für Sichtbarkeit und Sicherheit im Straßenverkehr. Auch in Sachen Effizienz betont er, entstünde eine positive Wirkung, da zeitkritische Wetterinformationen durch die Experten schneller erfasst und gemeldet würden. Andere Stormchaser äußern sich verärgert über Val Castor sowie News9 und vermuten finanzielle Motive. Sie beziehen sich dabei darauf, dass Medienhäuser mit dem Gesetz Vorteile auf den Straßen bekämen und legal Regeln brechen könnten. In diese Kritik reiht sich nach Meinung einiger Stormchaser auch der Aquaplaning-Crash von Val Castor mit seiner Freundin an Bord (2024) ein. Die Kritiker sehen hier den Beweis, dass schon ohne Sonderrechte keine Verkehrstauglichkeit besteht und fahrlässig gehandelt wird.

Und die Deutschen?

Für deutsche Stormchaser dürfte es schwierig werden, eine Lizenz zu bekommen, hier sehen wir derzeit schwarz. Ohne amerikanische Staatsbürgerschaft wird man kaum an einen Backgroundcheck kommen und ob eine staatliche Behörde Seriösität, Professionalität und Fachwissen attestiert und Ausländern eine Lizenz vergibt - damit ist gerade in Hinblick auf die aktuelle Regierung absolut nicht zu rechnen, es könnte gar gänzlich unmöglich sein. Doch wie bereits ausgeführt muss man ja nicht vom Schlimmsten ausgehen, normales Stormchasing dürfte weiterhin umsetzbar sein. Und wenn das Gesetz doch knüppelhart umgesetzt wird mit großflächigen Sperrzonen, dann gibt es ja noch 49 andere Bundesstaaten mit dokumentierwürdigen Unwettern.

Offizielle Äußerungen zu den Kritikpunkten sind aktuell noch nicht zu finden. Auf Social Media und in diversen Zeitungen wird fleißig weiter diskutiert. Wir bleiben weiter dran für euch. Und sollte so gar nichts Neues dazu auftauchen, wird man spätestens ab 1. Juli 2025 sehen, wohin die Reise geht.

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